Ich bin noch
ganz geflashed vom Treppen – Keller –Hinterhöfe – Kulturfestival.
Das Wetter
spielte mit und so waren wieder unheimlich viele Besucher unterwegs. Auch in
Witzenhausen gibt es einen wachsenden Leerstand in der Innenstadt, dies hat die
Kulturgemeinschaft vor 10 Jahren zum Anlass genommen, anstatt den Zustand zu
bejammern, ihn zu nutzen. Seitdem finden alle 2 Jahre in leer stehenden
Gebäuden und Kulturdenkmälern Ausstellungen, Lesungen und Konzerte statt. Und
immer wieder schaffen sie es, neue Keller und Gebäude oder Hinterhöfe
vorzustellen.
Diesmal war
das Koch’sche Haus neu dabei, indem der Dichter Ernst Koch seine Kindheit
verbrachte. Er ist der Autor von „Prinz Rosa Stramin“
und den Lenzbacher
Geschichten. Dort wurde auch mein persönliches Highlight ausgestellt, Bilder
des marokkanischen Künstlers Adil Roufi. Sie haben mich wirklich berührt.
Und ganz
besonders berührt hat mich auch die Resonanz auf unsere Round Robin Ausstellung
„Gemeines einer Gesamtdeutschen Gruppe – textil erzählt“.
Wir haben
diese Arbeiten ja schon öfter ausgestellt, aber noch nie habe ich so ein
Feedback bekommen. Trotz des großen Angebotes der Veranstaltung haben sich so
viele Besucher die Zeit genommen, sich intensiv auf die Arbeiten und ihre
Themen einzulassen und dies mit mir zu diskutieren. Es war so beeindruckend. Dabei geht es darum, Brücken zu
schlagen zwischen den unterschiedlichen Erfahrungen der Gruppenmitglieder, je
nach ihrer Herkunft/Sozialisierung. Jedes Mitglied wählte individuell eine
Lebensphase und füllte dieses Thema mit autobiografischem Inhalt, den
Erfahrungen, die man in Ost und West, in Nord und Süd in dieser Zeit gemacht
hatte. Von allen Teilnehmenden wurden diese Themen dann im Rahmen eines Round
Robin textil umgesetzt, wobei jede*r die eigenen Erfahrungen zugrunde legte.
Dabei sind 6 sehr persönliche großformatige Arbeiten entstanden.
Die
einzelnen Themen sind:
- Jugendkultur – Ost:“…
welche Meinung ich zu haben habe“
West: „…eigene Meinung finden, sich reiben“
- Ausbildung - „Die Welt steht nur offen, wenn man selbst offen ist“
- Frau und Arbeitswelt – „Frauen und Männer sind vor dem Gesetz gleich“
- Junge Familie – „Wilde Zeiten – Gute Zeiten – Wichtige Zeiten – Schöne Zeiten“
- Mütter und Väter – „Erinnerungen an die Eltern“/“Hinterlassene Spuren“
- Heimat – „Heimat, da wo man verstanden wird“
Normalerweise
stellen wir in Textilmuseen aus oder Veranstaltungen mit textilem Bezug,
zuletzt beim Spinn- und Filzfest im Rahmen der Brandenburgischen Landpartie.
Hier habe ich schon darüber berichtet. Da hat es immer Publikum mit textilem
Hintergrund, entsprechend sind die Gespräche oft eher „fachlicher“ Austausch zu
Techniken oder zur Arbeitsweise der Gruppe. Diesmal war der Austausch wirklich
zu den Themen. Die Besucher waren berührt. Ich denke es lag schon am Publikum,
die keinen textilen Hintergrund oder Bezug hatten, sondern wirklich an der
künstlerischen Umsetzung interessiert waren, aber auch vor allem an den Themen
und wie wir es mit unserem jeweiligen Hintergrund umgesetzt haben. Wir sind sechs Textilkünster*innen,
die seit 2012 zusammenarbeiten. Sieglinde Wischneswski, Klaus-Jürgen Hohmann, Martina
Rug, Evi Mühlstedt, Marion Kranz (bis 2016), Alexandra Hense (ab 2016) und ich.
Wir kommunizieren über
eine geschlossenen Yahoogruppe. Bei unserem ersten Treffen haben wir festgestellt, dass drei aus
Ostdeutschland kommen und drei aus Westdeutschland. Wir haben an diesem
Wochenende viel über uns erzählt und gemerkt, dass wir alle die gleichen Themen
haben, diese aber je nach Herkunft und Sozialisation unterschiedlich belegt
sind. Das wollten wir im nächsten Round Robin umsetzen. Dabei sind diese sehr
persönlichen Arbeiten entstanden. Ja, und Witzenhausen liegt direkt an der
ehemaligen Grenze im Dreiländereck Hessen –Thüringen – Niedersachsen.
Entsprechend kamen die meisten Besucher auch aus Hessen und Thüringen und
hatten eine große Affinität zu unseren Themen und Geschichten. Es war
beeindruckend. Manche kamen sogar am nächsten Tag nochmal wieder, weil sie immer
wieder schauen mussten. Verrückt.
Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass ich viel Zeit habe während der Ausstellungsbetreuung an den drei Tagen auch an meinen vorbereiteten Collagen zuarbeiten. Aber das hat nicht so ganz funnktioniert. Es gab zu viel zu sehen, staunen, hören und zu erzählen.
Diese Collagen bestehen diesmal nicht aus Papier, sondern aus Stoff. Darüber wurden Gemüsenetze mit Hitze aufgebracht und mit Wolle überfilzt. Jetzt wollte ich das ganze übersticken. Aber wie gesagt, ich bin nicht weit gekommen.
Jetzt hast du so ausführlich über die spannenden Inhalte eures Round Robin berichtet...und ich habe mich schon auf die Abbildung des Gemeinschaftsprojekts gefreut, doch du zeigst sie leider nicht, vielleicht darfst du es ja auch nicht.
AntwortenLöschenJetzt bin ich erst recht neugierig geworden, da du unten deine Stoffbearbeitung so schön nah abgebildet hast. Aha, ein mit Hitze aufgebrachtes Gemüsenetz...und ich dachte, es sei gestickt. Auf der wunderschönen Karte, die ich von dir bekommen habe, ist es die gleiche Technik.
Ganz wunderbar, dass die Besucher ein solch großes Interesse hatten - es muss ein rundum bereicherndes Wochenende gewesen sein!
Herzliche Grüße Ulrike